Von Musik leben können

Veröffentlicht auf von Thomas Euler

Es ist der typische Wunsch der meisten Nachwuchskünstlers: Einen Plattendeal bei einem großen Label bekommen, ein netten Vorschuss erhalten und in den TRL-Charts in den Top 5 landen, während das eigene Video auf Heavy Rotation läuft. Doch für geschätzte 99% der Künstler bleibt dies nicht mehr und nicht weniger als ein frommer Wunsch. Die Realität sieht doch meist so aus, dass der Lebensunterhalt mit einem 9-5 Job verdient werden muss. Alternativ kann natürlich auch der Weg des verkannten Genies gewählt werden, das in Armut lebt. 

Allerdings gibt es durchaus einen Weg dazwischen. Das ist nicht neu, allerdings hat Kevin Kelly, der Chefredakteur des amerikanischen Wired Magazins, kürzlich die Theorie der "1000 treuen Fans" formuliert, die einen durchaus gangbaren Weg für einen Künstler aufzeigt, um von seiner Musik (oder natürlich jeder anderen Kunstform) leben zu können, ohne gleich ein gefeierter Star zu sein. 

Die Grundüberlegung ist die, dass ein Artist 1000 treue Fans benötigt, um von seiner Kunst leben zu können. Der "treue Fan" ist dabei definiert als ein Fan, der alles kauft, was der Künstler veröffentlicht. Er besucht jedes Konzert, kauft jedes Album und jede Single, kauft ein T-Shirt und die Limited Edition, auch wenn er schon im Besitz der Standardversion ist. Gibt der treue Fan auf diesem Wege jährlich ein durchschnittles Tagesgehalt aus, ca. 100€, so kann der Künstler von 100.000€ abzüglich seiner Kosten von dem verbleibenden Geld - geschätzte 30.000€ - durchaus ein Leben unterhalten. Zusätzlich kommen zu jedem dieser Diehard-Fans noch einige normale Fans, die zumindest ein paar Euro in den Künstler investieren.

Wie aber erreicht man die kritische Masse von 1000 treuen Fans? Der Schlüssel zum Erfolg liegt im direkten Kontakt mit seinen Fans. Das bedeuted, viele Konzerte geben, mit seinen Fans reden und Präsenz schaffen. Besondere Bedeutung kommt dabei auch dem Medium Internet zu. Kelly schreibt:
"The technologies of connection and small-time manufacturing make this circle possible. Blogs and RSS feeds trickle out news, and upcoming appearances or new works. Web sites host galleries of your past work, archives of biographical information, and catalogs of paraphernalia. Diskmakers, Blurb, rapid prototyping shops, Myspace, Facebook, and the entire digital domain all conspire to make duplication and dissemination in small quantities fast, cheap and easy. You don't need a million fans to justify producing something new. A mere one thousand is sufficient."
Da viele Künstler allerdings nur Künstler und keine Kommunikatoren sein wollen, kann diese Arbeit von einem Management übernommen werden. Die Zahl 1000 ist in dem Modell ausgerichtet an dem Finanzbedarf eines Solokünstlers. Eine Band mit mehr Mitgliedern braucht entsprechend mehr Fans. Ebenso erhöht sich die Zahl der benötigten Fans, sobald der Künstler seine Veröffentlichungen zusammen mit Partnern (Label, Vertrieb, Bookingagentur, etc.) realisiert, die einen (Groß)Teil der Einnahmen einbehalten. Folglich steigt die Zahl 1000 durch die Nutzung eines Managements ein wenig, allerdings nicht in unermessliche Sphären.

Der Künstler, ggf. mit seinem Management, sollte daher möglichst viele Aufgaben in die eigene Hand nehmen. Auch hierbei hilft das Internet. Anstatt sein Album über ein Major zu vertreiben und auf diesem Weg einen Großteil der Einnahmen abgeben zu müssen, verkauft er seine Musik sinnvoller Weise selbst auf seiner Homepage. Statt Merchandising-Artikel über Shops zu vertreiben, die EKs und Prozente haben wollen, wird lieber ein eigener Webshop aufgemacht. Durch die Veröffentlichung von Neuigkeiten auf einem Blog ersparrt er sich hohe Kosten für eine Presseagentur. Wie gesagt: Es geht nicht darum, Superstar zu werden - der kann auf all diese Dinge kaum verzichten - sondern es geht um 1000 treue Fans, die ein normales Leben von der Musik ermöglichen.

Natürlich, das sei an dieser Stelle selbstredend nicht verschwiegen, sammelt man auch "blos" 1000 Fans nicht, wenn man keine gute Musik zu bieten hat. Diese ist und bleibt die Grundvorraussetzung für jegliche Art von Erfolg. Aber trotz guter Musik schaffen es viele Künstler nicht, erfolgreich und gefeiert zu werden. Aber statt zu resignieren und nach der x-ten Absage eines Labels alles an den Nagel zu hängen - man sei ja schließlich nicht massenkompatibel - geht es eben auch in Eigenregie. Dazu gehört natürlich einiges an Arbeit, doch ohne Fleiß bekanntlich kein Preis.

Das hinter all dem keine blose Theorie steckt, zeigen einige Beispiele aus der Praxis. So rief beispielsweise die Sängerin Jill Sobule vor knapp 2 Monaten auf der Website Jill's Next Record ihre Fans dazu auf, Geld zu spenden, damit sie in einem professionellen Studio ein neues Album aufnehmen könne. Insgesamt wollte sie auf diesem Weg 75.000$ generieren. Nach nur 54 Tagen waren auf diesem Wege 80.000$ zusammengekommen und das Ziel damit erreicht. Jill selbst schreibt dazu:

"I have always been a sort of special needs child (like a good percentage of artists in my industry) who wait for the label, the manager, the “man” to do everything for them – after taking any or all profits.  But now I’ve learned to rely on myself and... well, you."

Selbstverständlich ist solch ein Erfolg nicht realisierbar, ohne vorher bereits einiges an Bekanntheit erreicht zu haben. Diese hat sie sich durch viele Konzerte, Alben und Fanpflege erarbeitet. Die Spender (knapp über 500), bekommen übrigens auch eine Gegenleistung, entsprechend der Höhe ihrer Spende. Die Spannweite reicht von einem Gratisexemplar des neuen Albums (für 10$) bis hin zu einem Privatkonzert (50.000$). Man sieht also, dass sich durchaus auch professionelle, kostspielige Konzepte ohne ein Major im Rücken realisieren lassen. Es bedarf nur etwas Mutes und kreativer Ideen.

Etwas weiter gedacht ergibt sich aus diesen Überlegungen die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, eine Art Online-Management für unbekannte Künstler aufzubauen, das nicht nur aber hauptsächlich mit Hilfe des Mediums Internet arbeitet, um eben jene 1000 oder ein paar mehr treue Fans für einen Künstler sammelt. Auf diese Weise ließen sich sicherlich einige Acts aufbauen und ihnen wäre die Chance gegeben, sich vollkommen auf ihre Musik zu konzentrieren. Mit etwas Expertise und Ausdauer nämlich ist es kein Ding der Unmöglichkeit, die besagten 1000 Fans zu erarbeiten.


Weiterführende Artikel:

>> Kevin Kelly: 1,000 True Fans
>> Copyblogger: A 20-Step Process For Finding Your 1,000 True Fans
>> PR Blogger: Der Musiker 2.0
>> Gulli: Tausend treue Fans reichen um als Künstler zu überleben

Ähnliche Artikel:

>> Wohin geht die Musikindustrie?


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